Der Podcast «HerStory» gibt Frauen und Queers einen Platz auf der historischen Bühne. Alle vier Wochen stellt Jasmin Lörchner wichtige historische Persönlichkeiten vor, die ungerechterweise von Zeitgenossen oder Historikern aus den Geschichtsbüchern gestrichen wurden.

Wusstest du, dass in Vatikanstadt nur Männer abstimmen dürfen?

Wahlen finden nur für die Wahl des Papstes statt, der wiederum nur von Kardinälen gewählt werden kann. Weil in der katholischen Kirche Frauen von der Priesterweihe ausgeschlossen sind, sind sie somit im Rückschluss im Vatikan nicht stimmberechtigt.

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Feminismus
Feminismus: Eine Begriffsgeschichte jenseits von Männerhass

7. August 2025

Heutzutage wird Feminismus oft fälschlicherweise mit Männerhass gleichgesetzt. Es kursiert das Bild, Feministinnen kämpften dafür, Männer herabzustufen und Frauen eine alleinige Machtposition zu verschaffen. Zudem würden alle Männer pauschal als schlecht, gewalttätig und unterdrückerisch dargestellt. Diese binäre Gegenüberstellung von Männern und Frauen wird vor allem von Menschen vertreten, die den Feminismus nicht richtig verstehen und ihn zu stark verallgemeinern. Dabei wird oft vergessen, worum es im Feminismus wirklich geht: gleiche Rechte, Pflichten und Chancen auf sozialer, politischer und ökonomischer Ebene – für alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht.

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Shadow

Willkommen!

Du fragst dich vielleicht: Wieso Geschichte? Und dann noch von und über Frauen. Berechtigterweise sagst du, man sollte doch die Vergangenheit ruhen lassen und in die Zukunft blicken, wo uns künstliche Intelligenz, die Klimakrise und Weltkriege erwarten. Das sind die Probleme der Gesellschaft, auf die wir uns konzentrieren sollten. Diese Position negiere ich nicht, denn die Menschen müssen sich auf jeden Fall auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Ich argumentiere jedoch, dass dies nur möglich ist, wenn wir unsere Vergangenheit verstehen – insbesondere die Rolle der Frau, die über viele  Jahrhunderte aus den Geschichtsbüchern zensiert wurde.  

Die Inspiration für diesen Blog war eine lange E-Mail, die ich an einen Podcast geschrieben habe, die die Fehler vieler Historiker (bewusst nicht gegendert) wiederholten: Sie haben die Frauen aus der Geschichte gestrichen. Denn Geschichte wird traditionellerweise von und über Männer erzählt – nicht umsonst heisst es auch «History» und nicht «Herstory»1. Dabei sind wir ein direktes Produkt unserer Vergangenheit. Unsere Glaubenssätze, Handlungen und Entscheidungen stammen aus dem Gedankengut vergangener Personen und den Gesellschaftsformen, in denen sie gelebt haben. Manche Dinge wurden zum Glück hinterfragt und offiziell abgeschafft, wie beispielsweise die Sklaverei2. Andere Konstrukte wie die Einstellung, dass Frauen für das Häusliche verantwortlich und dem Mann unterstellt sein sollen, haben bis heute überlebt. Meiner Meinung nach ist es wichtig zu verstehen, wie unser kapitalistisches und patriarchales System und unsere Gesellschaft zu dem geworden sind, was sie heute sind. Dafür ist ein Blick in die Vergangenheit genauso wichtig wie die Visionen in die Zukunft.

Wichtig für mich anzumerken ist, dass ich Feminismus als eine Möglichkeit verstehe, idealisierte Geschlechterbilder und -rollen zu hinterfragen und abzubauen, um allen Personen gleichberechtigte Chancen und Möglichkeiten in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Ich möchte ein Patriarchat anprangern, welches Frauen UND Männer (und alles dazwischen) leiden lässt, denn für alle werden gewisse Stereotype und Idealvorstellungen zementiert, die unerreichbar, unrealistisch und schädlich sind. Ausserdem verstehe ich das Geschlecht als ein Spektrum und nicht als binäres System. Dieses Spektrum schliesst alle Personen, ob Mann, Frau, Trans, Non-Binär oder Genderfluid ein. Als cis-Frau kann ich aber die Ungerechtigkeiten und Gewalt gegen queere Menschen nicht in seiner Gänze nachfühlen, weshalb ich mich für diesen Blog entschieden habe, mich auf das binäre Konstrukt der «Frau» innerhalb der Geschichte zu fokussieren. Mir ist aber absolut bewusst, dass auch und vor allem queere Menschen von der Geschichte marginalisiert und überschaut wurden. Ich schliesse deshalb vereinzelte Beiträge zu LGBTQ+-Themen in Zukunft nicht aus, denn wer weiss, wo die Reise hinführt.

Intersektionalität ist dabei ein grosses Thema. Intersektionalität beschreibt «die Analyse der Überschneidungen und des Zusammenwirkens von verschiedenen Diskriminierungsformen»3. So kann eine schwarze, lesbische Frau nicht nur aufgrund ihres Geschlechts, sondern auch aufgrund ihrer Hautfarbe und/oder ihrer Sexualität Diskriminierung erfahren. Dabei entsteht eine spezifische Form der Unterdrückung. Ich schreibe in diesem Blog als weisse Frau, die zum Glück noch nie Rassismus erfahren musste. Dieses Privileg muss ebenfalls bei meinen Blogbeiträgen berücksichtigt werden.

An dieser Stelle möchte ich anfügen, dass ich mich in diesem Blog vor allem auf die Geschichte der Schweiz fokussiere und dabei eine eurozentristische Sichtweise einnehme. Es kann vorkommen, dass ich den Horizont aufmache und andere Gesellschaften und Systeme auf der ganzen Welt genauer betrachte, jedoch werde ich den Fokus auf die kulturellen und historischen Hintergründe der Schweiz und Europa legen.  

Dieser Blog hat nicht den Anspruch, die Fehler der Menschheit zu korrigieren, aber er kann einen Beitrag dazu leisten, dass wir Frauen nicht nur unseren Platz in der Gegenwart und der Zukunft bekommen, sondern dass auch die Verdienste unserer Vorfahrinnen in der Vergangenheit gewürdigt werden. Im besten Fall können wir aus der Geschichte etwas entnehmen, um unsere Gegenwart und Zukunft besser zu verstehen.

Interessierst du dich auch für feministische Themen und Frauen- und Kunstgeschichte? Dann bleib doch ein bisschen. Hier werden unter anderem folgende Fragen gestellt und beantwortet: Brachte die Pornoindustrie die sexuelle Befreiung der Frau oder zementierte sie ein sexistisches Stereotyp? Wie wurden Frauen im Kommunismus verstanden und behandelt, in Theorie und Praxis? Was hat die Abstinenzbewegung der Schweiz mit der bürgerlichen Frauenbewegung zu tun? Wie werden Frauen und ihre Sexualität im Surrealismus verstanden und dargestellt? Das Themenspektrum ist riesig, wie du siehst. Ich würde mich sehr freuen, wenn du durch meine Beiträge etwas Neues lernst und sie dich dabei zum Denken anregen.  

  1. Ob dies wirklich der Grund ist, wieso es „History“ heisst, weiss ich nicht, aber es ist ein Gedankenspiel wert. Eine Podcast-Empfehlung an dieser Stelle: „HerStory“ von Jasmin Lörchner, https://herstorypod.de/. ↩︎
  2. Das soll aber nicht heissen, dass es nicht bis zum heutigen Tag Sklaven auf der ganzen Welt gibt, deren Identität und Freiheit geraubt werden. Unter dem Begriff „Moderne Sklaverei“ wurde im Jahr 2021 geschätzt, dass ca. 49.6 Millionen Menschen in „Situationen der Ausbeutung“ leben, „die eine Person nicht ablehnen oder nicht verlassen kann aufgrund von Drohungen, Gewalt, Nötigung, Täuschung oder Machtmissbrauch“ und entweder zu Arbeit gezwungen werden (27.6 Millionen) oder in Zwangsheirat leben (22 Millionen).
    Global Estimates of Modern Slavery: Forced Labour and Forced Marriage. (2022). International Labour Organization (ILO), Walk Free, and International Organization for Migration (IOM), Geneva. ↩︎
  3. https://echte-vielfalt.de/lebensbereiche/lsbtiq/was-ist-eigentlich-intersektionalitaet/ ↩︎